Rede von Marlies Tepe am 14.05.2018
Rede von Marlies Tepe (GEW-Bundesvorsitzende) am 14.05.2018 auf dem 21. DGB-Bundeskongress zum Friedensantrag.
Kolleginnen und Kollegen, ich muss die Delegiertennummer korrigieren: Es ist die Nummer 91. Meine Schreibschrift ist offensichtlich nicht gut genug gewesen als Lehrerin. (Heiterkeit und Beifall)
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir als GEW unterstützen die Ablehnung der Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 2 Prozent des BIBB außerordentlich, und zwar nicht nur, weil es mich an meine Jugend erinnert, in der wir Bildung statt Bomben gefordert haben, sondern auch, weil es heute nötiger ist denn je, weil die Rüstungsausgaben ins Unermessliche gestiegen sind.
Mehr Geld für Militär und Rüstung ist ein völlig falsches Signal angesichts der zahlreichen Kriege und Konflikte in dieser Welt. Wer Frieden fördern und Fluchtursachen bekämpfen will, muss in Entwicklung wirklich investieren.
Dazu gehören die Beendigung von Armut und Hunger, ein gesundes Leben, gute Bildung für alle, sauberes Wasser, bezahlbare Energie, menschenwürdige Arbeit und Geschlechtergerechtigkeit.
Als Vizepräsidentin der Bildungsinternationale habe ich Gelegenheit, mit unseren Schwestergewerkschaften im Bildungsbereich in Afrika zu sprechen. Die Kolleginnen und Kollegen müssen manchmal Klassen mit einer Klassenstärke von 200 Kindern unterrichten, und zwar in Klassenräumen, die unerträglich sind. Wir müssen ihnen Hilfe geben, damit sie ihre Schulen so ausstatten können, dass die Menschen dort vor Ort gute Bildung erhalten. (Beifall)
Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir mehr Geld für Entwicklung. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf verständigt, 0,7 Prozent des BIBB für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. 2016 wurde dieser Zielwert zwar erstmals erreicht, jedoch nur, weil die Kosten für die Arbeit mit den Geflüchteten in Deutschland gegengerechnet wurden.
Weil 2017 weniger Flüchtlinge zu uns kamen, sank die Quote wieder auf 0,66 Prozent ab, und sie wird bis 2018 weiter sinken, und zwar unter 0,5 Prozent, wenn es nach den Plänen von Olaf Scholz geht. Das darfnicht sein, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall)
Als reiches Land trägt Deutschland eine besondere Verantwortung. Setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und seinen Haushalt für Entwicklungshilfe aufstockt, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Ihr ganz genau wisst, sind wir als Bildungsgewerkschaft insbesondere und in ganz besonderer Weise mit dem Thema Flucht und Asyl befasst. Rund 45 Prozent der nach Deutschland Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Diese jungen Menschen in unser Bildungssystem zu integrieren, ist eine riesige Aufgabe für unsere Mitglieder in Schulen und Kitas.
Dazu kommt, dass wir in den letzten zwei Jahren mit einer steigenden Zahl geflohener Lehrkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu tun haben, die wegen ihrer gewerkschaftlichen Arbeit in ihrer Heimat verfolgt werden. Die GEW unterstützt aktuell rund 30 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, einige mit Kindern, durch Rechtshilfe in ihren Asylverfahren und bei der Eingliederung in Deutschland. Die große Mehrheit von ihnen kommt aus der Türkei. In der Türkei ist ein gewählter Politiker an die Macht gekommen und hat das System in der Türkei langsam verändert. Seit dem Putschversuch vor zwei Jahren herrscht Ausnahmezustand im Bildungsbereich. Demokratische Grundsätze sind außer Kraft gesetzt. Zehntausende Menschen wurden entlassen, angeklagt oder verhaftet.
Erdogan nutzt den Ausnahmezustand zur Verfestigung seiner Macht und zur weiteren Islamisierung der Gesellschaft. In den Schulen werden die Lehrpläne umgestellt. Schulen werden nicht mehr wie in der Atatürk-Zeit ohne Religion gestaltet, sondern stärker und stärker islamisiert. Inzwischen sind 40 Prozent der türkischen Schulen nicht mehr frei von Religion, sondern islamisiert, und die Evolutionstheorie darf nicht mehr unterrichtet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Gesellschaft kann sich sehr schnell ändern. Das merken wir in der Türkei.
Das merken wir in Ungarn. Das merken wir in Amerika. Geben wir anstatt Geld für mehr Waffen, Geld für mehr Frieden aus! Geben wir Geld für mehr Bildung in der gesamten Welt aus! Dafür müssen wir uns einsetzen, Kolleginnen und Kollegen. – Ich danke Euch. (Beifall)