Arbeitsplätze durch Konversion
Vortrag von Anne Rieger auf Burg Duddeldorf am 20.06.2004. Anne Rieger war zu dem Zeitpunkt zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen, Landessprecherin der VVN-BdA (Bund der Antifaschisten) in Baden-Württemberg und ist eine der Sprecherinnen des Bundesausschusses Friedensratschlag. [Link]
Arbeitsplätze durch Konversion
Ein altes Thema: immer noch aktuell
„Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die Krieg führenden Nationen im Krieg verbrauchen, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen, sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. (…) Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu Essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen.“
Albert Einstein
Kriegsmaschinen statt Arbeitsplätze
Anlässlich der Bekanntgabe von Standortschließungen der Bundeswehr, wies Minister Struck jegliche Verantwortung für den Erhalt von Arbeitsplätzen weit von sich: „Ich sage das noch einmal, es ist nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. …. Es ist nicht unser Auftrag, struktur- und wirtschaftspolitische Förderung zu betreiben. … Oberstes Ziel bleibt für mich: wir müssen die Bundeswehr so an den Auftrag anpassen, dass sie in die Lage versetzt wird, ihre Aufgaben gut zu erfüllen („Wir verschaffen uns Luft für Investitionen“, Interview von Verteidigungsminister Peter Struck anlässlich der Vorstellung der Planungsweisung „Umsetzung von Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Reform der Bundeswehr“, 21.03.2003).
An anderer Stelle sagte er, was die Aufgaben der Bundeswehr sind: „Wir gewährleisten, dass die Bundeswehr leistungsfähig und damit Deutschland außenpolitisch Handlungsfähig bleibt.“ Die Bundeswehr dient also der militarisierten Außenpolitik und niemand darf der Illusion aufsitzen, die Bundeswehr oder irgendeine andere Armee der Welt, sei eine staatliche Institution um Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen. Es geht immer in aller erster Linie um ihren Auftrag. Und der Auftrag einer Armee lautet, Maschinen zu entwickeln und gemeinsam mit Menschen so aufzustellen und zu organisieren, dass sie andere Menschen umbringen können. Nur darum geht es – es geht um keinen einzigen Arbeitsplatz.
Wenn viele Menschen für Kriegsvorbereitungen gebraucht werden, werden viele Menschen von unsern Steuergelder dafür bezahlt, wenn weniger gebraucht werden, weil die Maschinen es alleine können – das Töten automatisiert wird – werden weniger Menschen dafür bezahlt. Wenn es einem also um Arbeitsplätze für Menschen geht, braucht man verlässliche Partner. Das sind die Menschen einer Region oder eines Betriebes – die an sozial nützlicher und ökologisch sinnvoller Wertschöpfung und entsprechenden nachhaltigen Arbeitsplätzen interessiert sind.
Auf eine Armee und ihre Zulieferer kann man sich nicht verlassen – weil ihr Auftrag sich schnell ändern kann – wie wir es ja zur Zeit mit der deutschen Armee erleben. Galt sie noch bis in die Neunziger Jahre als Armee der Verteidigung – mit einem riesigen Panzerheer – so kann heute niemand mehr die Augen davor verschließen, dass sie umgebaut und aufgerüstet wird in eine Interventionsarmee, die außerhalb Deutschlands, außerhalb des NATO-Gebietes, Tausende Meilen entfernt am Hindukusch und all over the world agieren soll.
Auch die US-Armee, die Spangdahlem zu ihrem Kriegsflughafen auserkoren hatte, einen Vertrag von 600 Mio. Euro bis 2005 vereinbart hatte, schaut nun gen Türkei mit ihren Truppen – und die Arbeitsplätze, auf die viele gebaut haben, können morgen weg sein.
Eine Armee, ihre Soldaten und Zivilbeschäftigten, die Beschäftigten ihrer Großzulieferer, der Rüstungsunternehmen, das ist schon rein ökonomisch gesehen, kein Unternehmen wie jedes andere. Die Gewerkschaft sieht das so: „Es geht nicht an, dass das Arbeitnehmerinteresse an Frieden gegen das Interesse an sicheren Arbeitsplätzen gegeneinander ausgespielt wird. Für die IG Metall gilt: Wir wollen beides, Frieden und sichere Arbeitsplätze für die Menschen“ (Arbeitsprogramm Rüstungskonversion, Schriftenreihe der IG Metall Nr. 125, 1991). Und die Friedensbewegung sieht es in großen Teilen auch so.
Lucas Aerospace
In dem zu mehr als 50 Prozent von Rüstungsaufträgen abhängigen britischen Luftfahrtunternehmen sollten Mitte der 70ger Jahre umfangreiche Rationalisierungsmaßnahmen durch geführt werden. Beabsichtigt war in diesem Zusammenhang die Schließung einer von siebzehn Tochterfirmen. Grund genug für die Belegschaftsvertreter sich Gedanken über Maßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu machen. Der gewerkschaftlichen Vertrauensleute befragten die Belegschaft, was ihrer Meinung nach mit den vorhandenen Kapazitäten produziert werden könne und dabei von gesellschaftlichen Interesse wäre.
Die Reaktion war erstaunlich: In kurzer Zeit lagen 150 Produktideen vor, die mit den im Unternehmen vorhandenen Geräten und Qualifikationen hätten hergestellt werden können. Bessere, billigere medizinische Geräte, verbesserte und billigere künstliche Nieren waren genauso darunter wie verbrauchsgünstige Automotoren, neue Heizsystem oder der berühmt gewordene Straßen-Schienen-Bus. Unter den gesellschaftlich nützlichen Produktionsvorschlägen befinden sich neuartige Energiespeicher, Wärmepumpen mit einem hohen Wirkungsgrad, ein Universal-Antriebsaggregat für verschiedene Fahrzeugtypen mit 50 Prozent verringertem Treibstoffverbrauch und erheblich geringerer Lärmentwicklung, ferngesteuerte Roboter und Tiefseeforschungsgeräte. Die Gewerkschafter trennten die Produktvorschläge in sechs größere Produktionsbereiche, die jetzt in sechs Bänden zusammen gefasst sind, jeder mit ungefähr 200 Seiten. Sie enthalten spezifische Details, wirtschaftliche Berechnungen und sogar Entwurfszeichnungen.
Wer die Pläne der Lucas-Beschäftigten studiert, wer die Geschichte ihrer Entstehung kennt, wer weiß, dass die meisten Ideen von einfachen ArbeiterInnen unter Beratung einiger Ingenieure entwickelt wurden – der kommt nicht umhin: Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Güter ist möglich. Demokratische Kontrolle – und die Produktion kann um ein Vielfaches effektiver, nützlicher, billiger, menschen- und umweltfreundlicher gemacht werden. Da die Unternehmensleitung jegliche Zusammenarbeit verweigerte, stellten engagierte Arbeitnehmer Prototypen einiger Alternativprodukte in Eigenarbeit her.
Trotz der Aktivitäten konnte die Blockadepolitik der Geschäftsleitung nicht durchbrochen werden. Keines der vorgeschlagenen Produkte ist auf den Markt gekommen. Doch der Maßstab des Erfolges muss vorrangig an der Ausgangsforderung selbst angelegt werden und die bestand in der Verteidigung der Arbeitsplätze. Tatsächlich wurde von 1975 – 1981 keine einzige Entlassung ausgesprochen. („Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod“, Hrsg: Freimut Duve, rororo aktuell, Hamburg 1982). Der Lucas-Plan wurde zu einem Beispiel dafür, dass Alternativen zur Rüstungsproduktion möglich sind und hatte Signalwirkung für die Gründung von Arbeitskreisen zur Alternativer Produktion.
Teure Rüstungsarbeitsplätze
Schon in den 70er Jahren wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass ein Arbeitsplatz in der Rüstung ein vielfaches anderer Arbeitsplätze kostet:
„Les Aspin, Abgeordneter im amerikanischen Repräsentantenhaus und als konventioneller Kritiker des Pentagon bekannt, veröffentlichte (auf das damalige Stichjahr 1972 bezogen) die Aufstellung, wieviel Arbeitsplätze mit 1 Mrd. Dollar pro Bereich geschaffen werden können:
- In der Rüstung: 35.000 Arbeitsplätze
- im Bauwesen: 76.000, etwa zweimal soviel
- im Gesundheitswesen: 77.000
- im Bildungswesen (Lehrer): 100.000, etwa dreimal soviel
- im Öffentlichen Dienst: 132.000 Arbeitsplätze“.
(Albrecht, Ulrich: Rüstung und Inflation, Blätter für Deutsche und Internationale Politik, 1973, Heft 1, S. 16-25).
Die DFG-VK hat erst kürzlich berechnet:
- ein Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie kostet den Steuerzahler ca. 130.000 Euro, eine Gymnasiallehrerin dagegen verdient 52.000 Euro brutto.
- Die Kosten des Baus eines Eurofighters betragen 108 Mio Euro, das entspricht 2.300 Jahresgehältern für Erzieherinnen.
- Der Bau eines U-Bootes 212A kostet 460 Mio Euro, das entspricht 10.000 Jahresgehältern für Altenpflegerinnen.
- Der Bau einer Fregatte kostet 124 Mio Euro, das entspricht 14.000 Jahresgehältern für Lehrerinnen.
Würden entsprechend den Forderungen aus der Pisa Studie in unseren Schulen die Klassenstärken auf ein Niveau gesenkt, wie es in Finnland oder Kuba üblich ist, müssten zusätzlich 230.000 Lehrer und Sozialarbeiter eingestellt werden. Das entspricht der geplanten Personalstärke der Bundeswehr.
Für den Transport von Kriegsgerät und Soldatinnen und Soldaten, für ihre Verlegung in andere Erdteile, ist der Bundesregierung, kein Euro zuviel. Für die Auslandseinsätze der Bundeswehr steht Strucks Truppe 1,4 Mrd. Euro Jahr für Jahr zur Verfügung. Damit gibt die Bundesregierung für Auslandseinsätze der Bundeswehr in einem einzigen Monat soviel aus, wie die notwendige Erneuerungsrate für Spielplätze eines ganzen Jahres in ca. 25 Großstädten beträgt. Arbeitsplätze würden dadurch ebenso geschaffen wie durch die Produktion von Hüftgelenken. Die Kosten eines einzigen Eurofighters entsprechen 20.000 Hüftgelenken. Diese will bekanntlich der Vorsitzende der Jungen Union den älteren Menschen in Zukunft vorenthalten. Das ist infam und inhuman und nebenbei noch kontraproduktiv für Arbeitsplätze.
Kommunale Friedenspolitik Bremen
25,6 Mio. Euro standen von 1990 – 2000 in Bremen zur Verfügung, um die Umwandlung von Rüstungs- in zivile Arbeitsplätze zu fördern. Als Zentrum der Rüstungsindustrie in Norddeutschland (Marineschiffbau, Marineelektronik, Teile für Tornado, A400M Airbus, Eurofighter) war Bremen besonders von dem Strukturwandel betroffen, der durch den Abrüstungsprozess während der 90er Jahre ausgelöst worden war. 1989 waren 16 % der Arbeitsplätze des verarbeitenden Gewerbes direkt und indirekt sowie 9 % direkt rüstungsabhängig. Im Vergleich zu seinem Anteil am Bruttoinlandsprodukt war Bremen zu diesem Zeitpunkt das rüstungsabhängigste Bundesland. Ein Gutachten der EU-Kommission betrachtete fast 30.000 Arbeitsplätze in Bremen als bedroht (einschließlich der Beschäftigten in den Kasernen und der Rüstungsforschung).
Das Land Bremen entwickelte in den frühen 80er Jahren das „Wirtschaftspolitische Aktionsprogramm“. Es wurde von 40 Mio Euro im Jahre 1983 auf über 300 Mio Euro im Jahr 1999 ausgeweitet. Mit Zuschüssen u.a. aus dem EU-Strukturfond erhöhte sich das Programmvolumen beträchtlich, der daraus gespeiste Fond bediente 25 individuelle Förderprogramme. Dazu zählte auch des „Bremische Konversionsprogramm“, das der Senat 1992 beschloss. Es wurde durch die EU-Gemeinschaftsinitiative KONVER kofinanziert. In diesem Rahmen wurde von 1992 – 2000 eine Konversionsbeauftragter, Prof. Wolfram Elsner, ernannt sowie ein „Beraterkreis Bremisches Konversionsprogramm“ und eine ressortübergreifenden Steuerungsgruppe gebildet. Es wurden 60 betriebliche Konversionsprojekte, 12 konversionsrelevante infrastrukturelle Projekte sowie einige Ausgründungen, Beschäftigungsgesellschaften und individuelle Existenzgründer gefördert. Die meisten hatten einen betrieblichen Konversionsbeauftragten, einige betriebliche Konversionsrunden. „Fast ein Drittel der Rüstungsbeschäftigten, die zwischen 1992 und 2000 – statistisch gesehen – ihren Rüstungsarbeitsplatz verloren“, wurden „durch innerbetriebliche Konversion in den zivilen Bereich überführt … eine fast 15 %-ige Konvertierung der rüstungsabhängigen Arbeitsplätze von 1990 bis zum Jahr 2000. In zehn Jahren und Zeiten, in denen sich der Arbeitsplatzabbau im gesamten Verarbeitenden Gewerbe deutlich beschleunigt hat, wurden 30 % der statistisch verschwundenen Rüstungsarbeitsplätze aktiv konvertiert. Hierdurch hat sich die Rüstungsabhängigkeit der befragten Unternehmen deutlich reduziert. Der Anteil der direkt rüstungsabhängigen Arbeitsplätze an der Gesamtbeschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe des Landes hat sich von 9% im Jahr 1989 auf 5% im Jahr 1997 reduziert“, (W. Elsner, „Konversion als lokale Industriepolitik“ in „Rüstungsstandort Bremen“, Mai 2003, IGM Bremen oder Internet). Es betrieben auch Unternehmen Konversion, die sich nicht um Konversionsmittel beworben hatten. Eine ehemalige Marinewerft konvertierte ohne öffentliche Förderung die Hälfte ihres Produktionspotentials in nicht militärische Märkte. Hierzu zählen Luxusyachten und schnelle Fähren. „Insgesamt war dieser industriepolitische Ansatz in dem Sinne erfolgreich, dass er einen beträchtlichen Anteil der Produktion, des F&E-Potentials und der Beschäftigung während der neunziger Jahre aufrechterhalten und in der Region halten konnte, der ansonsten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vernichtet worden wäre. Während die Produktivität und der steigende Wettbewerbsdruck die Unternehmen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dazu veranlasst hat, Entlassungen sowohl im zivilen als auch militärischen Bereich vorzunehmen, war das Ergebnis für die Region insoweit positiv, als eine diversifiziertere, innovativere und nachhaltigere industrielle Struktur entstanden ist, sich die Anzahl der Unternehmen stabilisiert hat und sich die regionalen Netzwerkstrukturen verbessert haben.“ (Elsner siehe oben).
Die Bedingungen, die zur Konversion führten, ergaben sich nicht von selbst, da Unternehmen nicht automatisch mit einer Diversifikations- oder gar Konversionsstrategie aus drastisch schrumpfende Märkte reagieren. Ihr spontanes reagieren ist abwarten, alle Optionen offen halten bis hin zur dual-use-Strategie. Auf neuen zivilen Märkten waren sie of mit dem Problem konfrontiert, dass die Märkte für Umwelt-, Transport oder Kommunikationstechnologie bereits von jungen kleinen oder mittelgroßen Unternehmen bedient wurden. Im Rahmen der Konversionsförderung wurde den Unternehmen verlässliche, mittelfristige, koordinierende Unterstützung, die auf Umstrukturierungsplänen basierte und zwischen den Unternehmen und den öffentlichen Akteuren abgestimmt war, angeboten. Obwohl das Bremer Projekt ein kleines Programm war, wurde es insbesonders in dem Zeitraum zwischen 1990 und 1995 gerne angenommen (Elsner).
Bitter ist, dass in Bremen innerhalb von 10 Jahren 25,6 Mio Euro für Konversion zur Verfügung standen. 35,9 Mio Euro schwer ist dagegen allein der neueste Rüstungsauftrag für die Region (taz 8.7.2002). Deutlich zeigt sich auch in Bremen, Konversion ist technisch und ökonomisch möglich und sinnvoll, aber es muss politisch gewollt werden. Das wird nur mit Druck derjenigen möglich sein, die an dauerhaften, nachhaltigen ökologisch sinnvollen und sozial nützlichen Arbeitsplätzen interessiert sind: die Beschäftigten einer Region selber.
Die Bedingungen in Bremen waren u.a. deswegen so gut, weil dort bereits in den 70ger Jahren ein Netzwerk von Arbeitsgruppen entstanden war, das sich mit der Konversionsproblematik and alternativer Produktion befasst hatte. Inspiriert von den Beschäftigten von Lucas Aerospace hatten diese Gruppen zahlreiche Vorschläge für neue zivile Produkte ausgearbeitet. So war das Netzwerk gut vorbereitet, als 1990 eine neue breitere gesellschaftliche Debatte um Konversion begann. Noch heute arbeitet der IG Metall Arbeitskreis „Alternative Produktion“ in Bremen. Im Februar 2004 wurde ein gewerkschaftliches Bildungsseminare zur „Alternativen Produktion“ durchgeführt, zu Themen wie
- Regenerative Energie (z.B. Fotovoltaik, Solarkollektoren, etc.)
- Neue Antriebe für Fahrzeuge (z.B. Elektro, Wasserstoff, Pressluft).
Loks statt Leos
Als der Rheinmetall-Konzern beschloss, seine Panzerfertigung in Kiel einzustellen und zu verlagern erstritten Belegschaft, Betriebsrat und der Arbeitskreis „Alternative Produktion“, dass der Lokbau in Kiel blieb. Der Übergang zur Vossloh Schienenfahrzeugtechnik führte dazu, dass kein Rüstungsarbeiter arbeitslos wurde. Die damalige Panzerhalle wurde zur Mehrzweckhalle umfirmiert. Liegenschaften, Halle und Arbeitnehmer wurden zivil genutzt bzw. beschäftigt.
Auch in Baden-Württemberg entwickelte sich in einem Betrieb, der im Telekommunikationsbereich für die Bundeswehr produzierte, ein IGM-Arbeitskreis Alternative Produktion aus Ingenieuren, Entwicklern und Vertriebsleuten. Im KIT (Kaufleute, Ingenieure, Techniker) wurden, gemeinsam mit der Belegschaft, über 100 Vorschläge entwickelt, die, als es zum verstärkten Arbeitsplatzabbau kam, auf mehreren Betriebsversammlungen eine Rolle spielten. Die Öffentlichkeitsarbeit der IG Metall mit Flugblättern, offenen Briefen, Berichten und Fragen auf den Betriebsversammlungen hatten die Ergebnisse des Arbeitskreise zum betriebspolitischen Thema gemacht. Es entstand ein großes Protestpotential gegen den geplanten Arbeitsplatzabbau, der dadurch verzögert und verringert wurde. Einzelne Vorschläge wurden im Konzern, später auch im konkreten Betrieb realisiert.
Der Arbeitskreis Windkraft der IG Metall hat im Juni 2003 gemeinsam mit anderen einen Branchenworkshop zum Thema Windkraft durchgeführt. Ziel war die Sicherung und Entwicklung von Arbeitsplätzen in der Zukunftsbranche und ein Sprachrohr der Beschäftigten in der Branche aufzubauen und den Erfahrungsaustausch zwischen den Betriebsräten zu organisieren.
Diese Beispiele, wie auch andere zeigen, dass es immer einerpolitischen Basis-Bewegung bedarf, um der Konversion eine Stimme zu geben. Eine breite politische Basisbewegung entstand bisher aber immer erst, wen es um den Abbau von Arbeitsplätzen ging.
Rüstungsarbeitsplätze – teuerste Arbeitsplätze
Rüstungsminister Peter Struck geht da anders vor, Arbeitsplätze durch Konversion sind nicht sein Ding. Für die Verlegung Deutscher Truppen, damit „die Sicherheit der Bundesrepublik … auch am Hindukusch verteidigt“ werden kann, hat er 60 Airbusse A 400M bestellt für 8,3 Mrd. Euro unserer Steuergelder. Nur zwei Kriegstruppentransporter weniger – und das Problem kostenloser Schulbücher wäre gelöst, Rüstungskonversion inbegriffen. Denn Handbücher für einen einzelnen Airbus kosten allein 390.000 Euro, Werkzeugsatz für Wartung und Bordwerkzeug 125.000 Euro. Im letzteren sind laut Vertrag Werkzeugbox, Trittleiter, Radwechselsatz und ein Set zum Öl nachfüllen. Leicht verdientes Geld für die Rüstungskonzerne. Konversion plus Umschulungsmaßnahmen betroffener Ingenieure und Facharbeiter könnten statt solcher Profite sinnvoll finanziert werden
Wenn der Staat Steuermittel für soziale Bereiche ausgibt, so sind dies zu über 90% Löhne und Gehälter. Bei der Beschaffung von Waffen wird weniger als die Hälfte der Ausgaben für Löhne und Gehälter verwendet. Der Aufwand für Arbeitsmittel, Rohstoffe und Energie ist sehr hoch, dazu kommt noch die Gewinnspanne für die Unternehmen. Ginge es nur um die Schaffung von Arbeitsplätzen, müssten LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, ErzieherInnen, SteuerfahnderInnen und Pflegekräfte eingestellt werden. Trotz Sparmaßnahmen in fast allen anderen Haushaltsbereichen bleibt der Rüstungsetat fast unangetastet. Der drittgrößte Posten im Bundeshaushalt, z.Zt. 24,4 Mrd. Euro wird für Waffen und Soldaten ausgegeben. Um die teuren Waffenkäufe möglich zu machen, werden andere Kosten bei der Bundeswehr reduziert. Kasernen werden geschlossen, die Zahl der Soldaten reduziert. Trotzdem sieht die langfristige Planung der Bundeswehr ab 2007 eine Erhöhung des Bundeswehretats um 1 Mrd. Euro vor . Kritiker gehen aber davon aus, dass das für die ehrgeizigen Pläne nicht reichen wird!
Konversion – schrittweise und nachhaltig
Man muss sich darüber im klaren sein, dass die Abrüstung nicht unmittelbar zu Einsparungen und Konversion im Verhältnis von 1:1 zu zivilen Arbeitsplätzen führt. Denn es gibt nicht nur eine gigantische Anzahl von Soldaten und Soldatinnen, sondern auch von zivilen Angestellten bei der Bundeswehr und nicht zuletzt hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in der Rüstungsproduktion tätig sind. Auch an die gesamten Zulieferer und die Gewerbetreibenden, die von der Bundeswehr und Rüstungsfirmen mit ihre Arbeitsplätze abhängen, müssen wir denken
Hier von jetzt auf gleich ohne Alternativen den Hahn abzudrehen, würde für die Betroffenen zu massiven Verwerfungen führen. Das hieße auch die Binnennachfrage weiter zu schwächen. Deswegen brauchen wir ein umfassendes nachhaltiges Rüstungs- und Standortkonversionsprogramm, das auf mehrere Jahre angelegt ist. Es muss sicherstellen, dass die bisher im Militär- und Bundeswehrbereich Tätigen nicht in die Arbeitslosigkeit gestürzt werden, dass die im militärischen Sektor erworbenen Kompetenzen für zivile Zwecke nutzbar gemacht werden, und dass die durch Abrüstung frei werdenden Mittel für andere öffentliche Investitionen genutzt werden.
Die Gewerkschaften fordern zur Belebung der öffentlichen Infrastruktur ein 20 Mrd. Investitionsprogramm. Finanziert werden könnte es durch die Erhebung einer Vermögenssteuer von 1 Prozent auf Vermögen von über 500 000 Euro aber auch durch die schrittweise Kürzung von Geldern für Militärgüter der neuen weltweiten Interventionsarmee. Eine solche Politik würde zu mehr gesellschaftlicher Wohlfahrt führen; denn wenn die Ressourcen nicht mehr in die Rüstung und Militärtechnik gesteckt werden, dann werden zusätzliche Werte für die Menschen geschaffen, die auch gesellschaftlich genutzt werden, wie z.B. Umweltschutz, Öffentlicher Nahverkehr, Bildung und Kinderbetreuung, Schulen, Krankenhausbetten, Infrastrukturen für Tourismus und vieles mehr. Dies ist bei Rüstungsgütern gerade nicht der Fall, hier können wir von Glück reden, wenn sie nicht genutzt wen. Hinzu kommt zum anderen, dass im zivilen Bereich investierte Mittel zu mehr Arbeitsplätzen führen als in der Rüstungsindustrie.
Denn es ist leider immer noch so: Kaum etwas ist derzeit so profitabel, wie der Rüstungsproduktion. Auch Prof. Bontrup weist nach, dass die Preisbildung, als eine Art Vehikel-Funktion bei der Realisierung von überproportional hohen Rüstungsprofiten verantwortlich zeichnet. Die sogenannten Selbstkostenpreise garantieren den Rüstungsanbietern, das sie ihre vorkalkulierten bzw. tatsächlich entstandenen Kosten vom Staat, aufgrund einer Nachfrageverpflichtung der produzierten Rüstungsgüter, einschließlich eines Profitaufschlages auf die Kosten erstattet bekommen (Bontrup, Preisbildung bei Rüstungsgütern, 1986). Außerdem sehen sich die staatlichen „Kunden“ in strategischen Sektoren nur einem Lieferanten gegenüber, was zu hohen Preisen führt. Auch die Stückkosten steigen, weil der militärische Verlust auf ein Mindestmaß beschränkt werden soll – es also nicht zur Massenproduktion kommt. Dieser friedenspolitische Vorteil in diesem Mordsgeschäft ist ökonomisch gesehen für den Staat eben ein Nachteil.
Diese Profite finden sich folglich nicht in den Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder. Sie können den Konsum und die Nachfrage nicht beleben. Hingegen wäre die Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt auch ökonomisch sinnvoll, weil die Nachfrage angekurbelt und dadurch die Konjunktur belebt wird. Wäre es also nicht vernünftiger, sozialer, umweltfreundlicher, beschäftigungswirksamer statt eines neuen militärischen Transportflugzeuges 572 Berufsschulen zu bauen? Statt 180 Eurofighter 250.000 Sozialwohnungen?
Berufe der Beschäftigten
Heute ist über all in der Wirtschaft lebenslanges Lernen angesagt. 2-3 mal im Leben muss heute jeder einen neuen Beruf erlernen, lassen uns die Industriebosse ständig wissen. Wäre es da nicht sinnvoll
- für einen Ingenieur, der Eurofighter konstruiert, umzulernen und z.B. ein hochqualifizierter Ausbildungsingenieur an einem Berufschulzentrum oder im Umweltschutz zu werden?
- für einen Piloten eines militärischen Transportflugzeuges komplizierte Aufträge in einem besser ausgestatteten Technischen Hilfswerk zu übernehmen oder auch etwas ganz anderes zu machen, z .B als hochqualifizierter Architekt gut durchdachte Sozialwohnungen zu entwerfen und bauen
- oder kann ein Koch auf einem Kriegsschiff nicht Koch in einem Kindergarten werden und dabei neueste ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse für die Nahrung unserer Kinder zu berücksichtigen?
Die Industrie sucht ständig hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Warum sie nicht aus der Rüstungsindustrie nehmen?
Freilich, das Umlernen kostet Geld – aber Geld ist genug da! Geben wir es für Konversionsprogramme statt für Hochrüstung aus. Dies ist kein Selbstläufer. Konversion ist kein plötzlicher Schritt, kein Schritt von heute auf Morgen sondern es bedarf eines nachhaltigen, langfristigen Umbau-Programms, das staatlich unterstütz wird. Schritte könnten sein:
Entlassung von Soldaten altershalber aus der Armee und keine Widerbesetzung dieser Soldaten- und Offiziersstellen. Jedes Jahr verlassen 20.000 die Bundeswehr. Umschulung und Weiterbildung in Bereiche wie z.B. Spitzentechnologien in Umwelttechniken und Erneuerbare Energien, Müllvermeidung und -verwertug. Biomasse – Heizanlagen erweisen sich für finanzschwache öffentliche Haushalte als zu teuer, der Anteil der Solar- und Windenergie an der Energieproduktion kann die drohenden Ölkrise nicht auffangen. Weitsichtige Bundespolitik würde schon jetzt, um sich an der Sicherung der Energie nicht mir Waffengewalt zu beteiligen, in jede Hochtechnologie investieren, die Energie sparen hilft und sie bezahlbar machen.
Wir brauchen Kümmerer zur Energiereduzierung und Konversionsworkshops sowie eine gesellschaftliche Debatte über Rüstungs- und Standortkonversion. Sie betrifft nicht nur die Bundeswehr und die Rüstungsproduzierenden Konzerne sondern auch die mit der Logistik befassten Firmen, wie zum B. die Bremer Lagerhaus Gesellschaft, die Rüstungsgüter verschifft, die verdeckte militärische Grundlagenforschung an Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Sie betrifft die Kooperationsverträge der Bundeswehr mit Krankenhäusern, die BW-Fuhrpark-Service GmbH mit der privaten Fahrzeugflotte der Bundeswehr, die LH Bundeswehr Bekleidungsgesellschaft, das Konsortium TIS (das aus der Deutschen Telekom, IBM und Siemens Business Services), das das 6,5 Mrd. Euro teure Herkules Projekt, die geplante Auslagerung des Computer- und Telefonsystems der Bundeswehr betreiben wird und natürlich die g.e.b.b. die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, die die Bundeswehr von allen Aufgaben entlasten soll, die nicht militärische Kernaufgaben sind.