Rede von Heidi Scharf am 19.10.2015
Rede (Auszug) von Heidi Scharf, Bevollmächtigte IGM Schwäbisch Hall am 19.10.2015 auf dem 23. Gewerkschaftstags der IG Metall (18.-24.10.2015) [pdf, Seite 94ff]
Ich denke, es ist dringend notwendig, dass wir nicht nur die Auswirkungen dieser Politik bekämpfen, sondern auch die Ursachen. Die Ursachen sind doch, dass Kapitalisten auf der ganzen Welt mit Kriegen, mit der Ausbeutung der Dritten Welt Profite machen, den Raubbau an den Bodenschätzen betreiben und unsere Natur zerstören.
Ich habe mich an das erinnert, was wir früher gemacht haben. 1981 war ich auf der Bundesfrauenkonferenz. Da hatte diese Konferenz mit total viel Engagement durchgesetzt, dass die IG Metall den Krefelder Appell unterstützen soll.
Wir haben uns auf den Weg gemacht und sind dann in diesem Jahr mit 600.000 Kolleginnen und Kollegen, Friedensfreundinnen und -freunden in Bonn gewesen. Da war die größte Demonstration, die ich in diesem Land je erlebt habe. Und die hat uns Kraft gegeben, für Frieden und für Abrüstung einzutreten.
Die Themen, die damals gefunden wurden, waren gesellschaftliche Themen. Die waren verankert, die wurden mit Hilfe der Gewerkschaft, mit Hilfe der IG Metall in die Gesellschaft getragen. Das ist wichtig: Wir müssen Themen wie Flüchtlingsfragen auch in den Betrieben diskutieren und in der Gesellschaft verankern. Nur so haben wir überhaupt eine Chance.
Viele sind heute erschüttert über Kriege, über Bürgerkriege, über Aufstände, über Diktaturen in Afghanistan, in Syrien, in Nordafrika und wo auch immer auf der Welt. 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Unterdrückung und Sklaverei.
Und Deutschland liefert nach wie vor Waffen auch in Krisen- und Kriegsgebiete. Deutschland liefert vor allem Kleinwaffen wie das G3 oder das G36, die nach Kofi Annan Massenvernichtungswaffen sind und die auch geeignet sind, um Kinder als Kindersoldaten in einen Krieg zu schicken.
Seit europäische Länder kaum noch Waffen kaufen, weil sie aufgrund der Austeritätspolitik überschuldet sind, macht die Rüstungsindustrie Druck für Genehmigungen in Drittstaaten. Mehr als 50 Prozent dieser Güter werden mittlerweile an Staaten außerhalb der Nato und der EU verkauft. Ein Großteil geht auf die arabische Halbinsel. Und Saudi Arabien darf sogar Gewehre der Typen G3 und G36 in Lizenz produzieren. Aber kein Mensch weiß, wohin sie weiterverkauft werden.
Auf Anfrage der Grünen musste die Bundesregierung erklären, dass sie keinerlei Kontrolle darüber hat, an wen die Scheichs Waffen liefern. Jeden Tag sterben mehr als tausend Menschen durch solche Kleinwaffen, die auch aus Deutschland kommen. Den Profit haben allein die Unternehmer, und die Menschen zahlen das mit ihrem Leben.
Da stellt sich die Frage: Wollen wir das? Ich behaupte, wir wollen das nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Beschäftigter in einem Rüstungsbetrieb so etwas will. Aber es ist natürlich die Existenzgrundlage, und sicher müssen wir die Ängste der Beschäftigten in den Betrieben ernst nehmen.
Hans-Jürgen hat heute gesagt, Waffenexporte dürften nie vor Menschenrechten stehen. Das kann man nur unterstützen; das ist eine richtige Position, aber natürlich auch zu wenig, wie es auch nicht ausreicht, dass wir einen industriepolitischen Dialog für ein Diversifikationsprogramm aufnehmen oder dass wir die Forderungen von Amnesty International unterstützen, einen weltweiten Waffenkontrollvertrag einzuführen. Wir haben in Deutschland einen Waffenkontrollvertrag. Aber der funktioniert nicht. Wenn er schon im eigenen Land nicht funktioniert, wie soll er dann weltweit funktionieren? Ich glaube, wir müssen vor der eigenen Tür anfangen.
Nein, wir müssen beginnen. Wir haben die Chance, es in unserem Land auch zu machen, und dazu brauchen wir alle, die dafür eintreten.
Es ist gut, dass wir Arbeitskreise in den Betrieben einrichten, aber ich glaube, das reicht nicht aus. Wenn wir das Problem nicht in die Gesellschaft transportieren können, wenn wir nicht gesellschaftlich eine Bewegung hinbekommen, dann reicht das eben nicht. Aber es ist ein erster Ansatzpunkt, und den muss man unterstützen. Ich meine, wir brauchen mehr Forderungen. Die Ausführungen dazu sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Geschäftsbericht waren mir zu wenig.
Ich glaube, wir müssen ganz klar sagen: Keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete. Wir brauchen den langfristigen Ausstieg aus der Rüstungsindustrie, also keine weitere Produktion von Rüstungsgütern in dieser Republik. Wir brauchen die Einstellung des Exports. Wir brauchen den Umbau zum Beispiel in ökologisch nachhaltige Projekte mit innovativen Konzepten und nicht Forschung im Bereich Rüstung. Schon gar nicht brauchen wir an den Universitäten Forschung für die Rüstungsindustrie.
Alle diese Felder kann man auch in den Betrieben angehen, und man kann sich umstellen auf zivile Produkte. Ich habe gelesen, dass zum Beispiel die Roboter, die Minen finden, was ja durchaus wichtig ist, auch die Grundlage dafür waren, dass es jetzt Staubsaugerroboter und Rasenmäherroboter gibt. Das ist doch ein Beispiel dafür, dass man gar nicht im Bereich Rüstung forschen muss. Man kann auch in anderen Bereichen forschen und andere Produkte herstellen.
Wir müssen uns auch um Konzepte kümmern, die sich damit beschäftigen, wie Mobilität zukünftig funktioniert. Wie werden denn unsere Nahverkehrsmittel ausgebaut, von denen die Menschen etwas haben? In diesen Bereichen kann man forschen, und dann hätten wir als Organisation auch einen guten Anhaltspunkt, weil wir in allen Feldern mit unseren Kolleginnen und Kollegen gut aufgestellt sind.
Zum Schluss lasst mich noch etwas anderes sagen. Hans-Jürgen hat vom Kampf für eine bessere Welt gesprochen. Ich kenne das noch aus meiner Zeit in der Gewerkschaftsjugend. Wir haben damals oft mit strahlenden Augen an den Lagerfeuern gesessen und Arbeiterlieder gesungen und gelernt, was es heißt, aus der Geschichte zu lernen. Ich denke, wir müssen heute genauso wie damals kämpfen für eine andere und bessere Gesellschaft und Welt, ohne Rüstungsgüter, ohne Kriege, ohne Ausbeutung, für die gleichen Rechte für alle Menschen, für Völkerverständigung und Frieden. Ich hoffe, dass von diesem Kongress ein Signal ausgeht auch zu unseren Kolleginnen und Kollegen.