Deutsche Kriegsschiffe auf allen Weltmeeren?

Ekkehard Lentz, Bremer Friedensforum in Ossietzky

Es geht hauptsächlich um den Bau von Militärschiffen, genauer: deutschen Kriegsschiffen. Am 14. Mai wurde offiziell die Zusammenarbeit der Werften Lürssen und German Naval Yards verkündet. Die Lürssen-Werft hat ihren Hauptsitz in Bremen, und die Hauptproduktionsstätte der German Naval Yards liegt in Kiel, ehemals Howaldtswerke.

Das gemeinsame Unternehmen soll unter Führung von Lürssen in Bremen-Vegesack stehen, seit 1875 »Wiege der deutschen Schnellboote«. Der Marinepartner German Naval Yards zählt nach eigenen Angaben rund 1000, die Lürssen-Gruppe um die 3000 Mitarbeiter. Einen besonderen Anschub für die Fusion der Werften hat offensichtlich die Vergabe des Auftrags für das moderne Kampfschiff MKS 180 gegeben, für das bisher 5,27 Milliarden Euro veranschlagt sind. Es ist der größte Marineauftrag dieser Art in der Geschichte der Bundeswehr. Das Bundesverteidigungsministerium hatte im Januar bekanntgegeben, einen gewichtigen Teil des Auftrages an die niederländische Werft Damen Shipyards zu vergeben, die dabei wiederum mit Lürssen kooperiert.

Für das Bremer Friedensforum ist der Bau von zunächst vier dieser neuartigen Mehrzweckkampfschiffe mit weltumspannenden Einsatzmöglichkeiten ein fatales Signal für noch mehr Auslandseinsätze der Bundesmarine.

Das Bremer Werftunternehmen Lürssen war in den letzten Monaten immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil die zu dem Unternehmen gehörende Peene-Werft in Wolgast Patrouillenboote an Saudi-Arabien lieferte. Lürssen unterstützte auch nach der Verhängung des Exportstopps für Rüstungsgüter Saudi-Arabien bei der Ausrüstung und der Lieferung von Ersatzteilen sowie bei der Ausbildung der Schiffscrews. Bremer Friedensgruppen kritisieren seit langem den »Rüstungsstandort Bremen«, und Lürssen ist dabei ein großer Kriegsvorbereiter: »Kriege beginnen hier – in Bremen!«

Das manager magazin vom 14. Mai berichtet ausführlich. »Die Konsolidierung in Deutschland ist längst überfällig«, äußerte demnach der Chef der Privinvest Holding SAL mit Hauptsitz in Beirut (!), der obersten Konzerngesellschaft der German Naval Yards. Und Friedrich Lürßen von der Lürssen-Gruppe fand die »Konsolidierung unserer Werften im Marineschiffbau sinnvoll und förderlich […], um dadurch deren Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken […] Mit diesem strategischen Zusammenschluss wollen wir auch aktiv dazu beitragen, die Auswirkungen der durch die gegenwärtige Corona-Pandemie entstandenen Herausforderungen im Schiffbau gemeinsam zu meistern und Arbeitsplätze und Technologiefähigkeit für den nationalen Standort langfristig zu sichern.« Die Stärkung des nationalen Marineschiffbaus durch eine Gemeinschaftsunternehmung von Lürssen und German Naval Yards entspreche den Zielvorgaben der Bundesregierung, so das manager magazin weiter. So sei die Bundesregierung frühzeitig durch den Maritimen Koordinator des Bundeswirtschaftsministeriums, Norbert Brackmann (CDU-Abgeordneter aus Schleswig-Holstein), in die Konsolidierungsgespräche involviert gewesen. Er habe den Prozess maßgeblich begleitet. Der U-Boot-Bau-Spezialist ThyssenKrupp Marine Systems mit rund 6000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,8 Milliarden Euro orientiere sich derweil in Richtung einer Kooperation mit der italienischen Fincantieri Gruppe, die sich dazu noch bedeckt hält.

Die IG Metall Küste fordert auf ihrer Website (14. Mai), die Sicherung der Arbeitsplätze und Standorte bei der Konsolidierung im Marineschiffbau in den Mittelpunkt zu stellen. »Die Fusion kann allerdings nur ein erster Schritt sein. Bei der weiteren Konsolidierung muss ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) einbezogen werden«, so IG-Metall-Bezirksleiter Friedrich weiter. »Es braucht eine Gesamtlösung für Unter- und Überwasserschiffbau in Deutschland, um dann eine europäische Strategie zu entwickeln.« Die Gewerkschaft kritisiert das Verfahren, wie diese Fusion vorangetrieben worden ist. »Weder die Belegschaft noch die Arbeitnehmervertreter waren einbezogen. So etwas aus der Presse oder kurzen Gesprächen zu erfahren, ist kein guter Start für die neue Gesellschaft«, erklärte Friedrich. Zwar fordert die IG Metall Küste (7. Mai) daneben auch eine sogenannte grüne Schifffahrt, die Entwicklung und den Bau emissionsarmer Antriebssysteme, Aufträge in Bereichen wie Behördenschiffe, Forschungsschiffe und Fährschiffe zum Beispiel für den Mittelmeerraum. Aber Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie sind für die IG Metall anscheinend alternativlos, jetzt in der Krise erst recht.

Das Bremer Friedensforum sieht diese Position der IG Metall kritisch und fordert die Gewerkschafter zum Umdenken auf. Die Zeit sei reif, neue Wege zu gehen. »Abrüsten statt Aufrüsten« müsse das Ziel sein. Selbstverständlich geht es dabei auch um Metall-Arbeitsplätze, zum Beispiel durch Rüstungskonversion. Die Sorge der IG Metaller um ihre Arbeitsplätze in den Rüstungsbetrieben ist sicher berechtigt. Es ist allerdings kurzsichtig, nicht die Folgen ihrer Intervention zu beachten: steigende Verschwendung von Steuergeldern für Produkte, die nicht dem Frieden und einer nachhaltigen ökologischen Wirtschaft dienen; steigende Profite für wenige Aktionäre der Rüstungskonzerne; Unterstützung der NATO, die mit neuen Waffensystemen Dominanz im Weltgeschehen sichern will; Rüstungsexporte in großem Stil und damit auch weitere Kriege auf dem Erdball; weiterer Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee; wachsende Kriegsgefahr in Europa bis hin zur atomaren Vernichtung aller Lebensgrundlagen im Rahmen der »nuklearen Teilhabe«.

Das Bremer Friedensforum empfiehlt der IG Metall, darüber nachzudenken, ob es für die arbeitenden Menschen im 21. Jahrhundert noch empfehlenswert ist, Strategien der Rüstungsprofiteure zu unterstützen. Erinnert wird an den Schwur der überlebenden Häftlinge des KZ Buchenwald: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg, verbunden mit der Frage, ob es nicht sinnvoller ist, Konversions- und Abrüstungsprozesse zu unterstützen.

Es geht jetzt darum, in einen neuen politischen Prozess einzusteigen, der die bisherigen Erfahrungen des Strebens nach Konversion von Rüstungsarbeitsplätzen in hochwertige Arbeitsplätze für Produkte der Metall- und Elektroindustrie aufgreift. Anstehende Investitionsprogramme zur Erreichung der Klima- und Umweltziele weisen in eine lebenswerte Zukunft. Dazu müssen auch Forschungsgelder eingesetzt werden, die jetzt zur Umsetzung einer nachhaltigen Klimastrategie und zur Überwindung der Folgen der Corona-Krise bereitgestellt werden. Hier zeigt sich Potential für völlig neue Produkte und somit auch für neue Arbeitsplätze.

Abrüstung statt Aufrüstung der NATO ist das Gebot der Stunde! Es lohnt sich, im Namen des Friedens neue Anstrengungen für Rüstungskonversion zu unternehmen. Die IG Metall kann hier mit ihrem Einfluss einen wichtigen Beitrag leisten. Sie muss es nur wollen! Die Bewältigung der Folgen von Corona stellt Politik und Gesellschaft vor riesige Herausforderungen. Wir haben gerade erlebt, dass in den letzten Jahrzehnten völlig falsche Prioritäten gesetzt worden sind. Horrende Steigerungen von Rüstungsausgaben bei jahrelanger Schrumpfkur für das Gesundheitswesen. Der Bau und der Kauf von Kriegsschiffen nutzt höchstens den Besitzern der Rüstungskonzerne. Wir brauchen Geld für zivile Entwicklung, für Klimaschutz und Vorsorge für die Bevölkerung. Wie viele Warnsignale braucht die Politik noch, damit sie endlich für den Frieden produzieren lässt statt für den Krieg?

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