Rede von Heidi Scharf am 22.10.2015

Rede (Auszug) von Heidi Scharf, Bevollmächtigte IGM Schwäbisch Hall am 22.10.2015 auf dem 23. Gewerkschaftstags der IG Metall (18.-24.10.2015) zum Antrag „Beschäftigungssicherheit in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland“ [pdf, Seite 107ff]

Meine Position und die vieler anderer hier im Saal richtet sich ja nicht gegen die Beschäftigten, unsere Mitglieder, in der Rüstungsindustrie, sondern wir wollen auch, dass die sichere Arbeitsplätze haben. Das ist doch überhaupt keine Frage. Wir wissen auch, dass Konversion lange dauert, dass man da nicht von heute auf morgen einen Schalter umlegt, und dann ist es auf einmal so. Das ist doch ganz klar. Das ist doch jedem bewusst.

Aber trotzdem ist ja die Frage: Haben wir eine Grundsatzposition dazu? – Ich meine, die Beschäftigten in dieser Industrie – das habt Ihr ja selber gesagt – haben eine sehr, sehr hohe Qualifikation. Und mit diesem hohen Know-how und dieser Qualifikation muss es doch möglich sein, auch in andere Richtungen zu forschen und in andere Richtungen Produkte zu entwickeln, die eben nicht in der Rüstung oder nicht in Kriegen eingesetzt werden. Ich denke, darum geht es doch, dass wir das befördern können.

Sigmar Gabriel hat ja auch gesagt, er will das restriktiver handhaben. – Als ich gestern Abend ins Hotel kam und mir die Nachrichten anguckte, wurde da gesagt: Die Rüstungsexporte sind im ersten halben Jahr dieses Jahres um knapp 60 Prozent gestiegen. Und da dachte ich mir, na, irgendwo werden wir ja voll verarscht. Da wird „restriktiv“ gesagt, und dann steigen die Rüstungsexporte um knappe 60 Prozent.

Ich glaube, da muss man hingucken. Wir müssen nun mal sehen, dass diese Rüstungsgüter auch aus Deutschland – nicht nur natürlich – in Länder geliefert werden, die eben in Krisen- und Kriegsgebieten sind. Und man kann nicht einfach so tun, als würde man das alles nicht wissen. Dass wir da hinters Licht geführt werden, glaube ich, ist ziemlich deutlich.

Viele von uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sind ja gegen Wiederbewaffnung, gegen Notstandsgesetze und für Frieden und Abrüstung, für Solidarität auf die Straße gegangen. Wir reden auch seit vielen Tagen auf dem Kongress von Solidarität, von humanitärer Hilfe für Flüchtlinge. Das ist gut so. Aber dass Flüchtlinge hierherkommen, hat halt Ursachen. Genau um diese Ursachen geht es.

Wenn wir es endlich schaffen würden zu sagen, es werden keine Rüstungsgüter in die Welt geliefert: Mit was soll man sich dann letztlich in den Ländern die Köpfe einschlagen, Kolleginnen und Kollegen? Ich glaube, Syrien ist bald menschenleer.

Dann werden nur noch die dort sein, die gegenseitig kämpfen. Das Volk ist dann weg, weil die dann auf dem Weg nach Europa sind.

Der Antrag, der jetzt auch in geänderter Fassung vorliegt, hat für mich einfach ein paar Unklarheiten. Deswegen wäre es mir viel lieber, wenn die Antragsberatungskommission ihre Empfehlung ändern würde und man den als Material zur Entschließung verabschieden würde. Denn darin sind Dinge, die zumindest ich vielleicht anders interpretiere als jemand anders. Er ist daher unklar.

Wenn es dann heißt, die IG Metall setzt sich dafür ein, diesen Dialog zur Entwicklung der wehr- und sicherheitstechnischen Industrie zu institutionalisieren, dann frage ich: Ja, in welche Richtung denn? – Das steht da nicht drin. Wohin soll sich das entwickeln?

Oder es steht etwas drin von Konsolidierung der wehr- und sicherheitstechnischen Industrie in Europa. – Sagt mir auch nichts.

Oder es steht drin: Das gilt zuerst für die Ausstattung der Bundeswehr. Es muss Klarheit geschaffen werden, welche Fähigkeiten künftig benötigt werden, welche Technologien und welche Ausrüstungen beschafft werden sollen. – Ja, ist das unsere Aufgabe, da zu gucken? Also, ich muss sagen: Das geht mir einfach zu weit, und das ist für mich unklar.

Oder es steht drin: Von staatlicher Seite ist die Grundlagenforschung weiterhin zu unterstützen sowie die Vernetzung. – Also, auch Grundlagenforschung in der Rüstungsindustrie, da läuten bei mir alle Alarmglocken. Und, und, und. So könnte ich jetzt weitermachen.

Deswegen würde ich bitten, weil in diesem Antrag so vieles unklar ist, dass man möglicherweise diese Empfehlung ändert. Das gilt auch, wenn ich sehe, dass der Vorstand am 6. Oktober ein Papier beschlossen hat: Die IG Metall startet eine neue Initiative für Konversion und Diversifikation in wehrtechnischen Betrieben. Dann ist doch schon etwas dadurch erledigt, dass man diese Initiative startet.

Oder ich nenne Euren Branchendialog – den will ja gar niemand infrage stellen – oder die Entschließung oder den Antrag 1.125. Das ist meiner Meinung nach völlig ausreichend für unsere Positionen und ausreichend dafür, nach Hause gehen zu können – das will ich noch einmal betonen – und den Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen weiterhin zu führen.

Ich glaube, vielen, die hier Anträge in diese Richtung gestellt haben, ging es doch darum, dass wir die Debatte wiedereröffnen, dass wir ins Gespräch kommen miteinander, dass wir darüber diskutieren, wie das aussehen kann. Ich glaube, wenn wir das erreichen, dass wir diese Debatte wieder führen, dass wir diese Debatte in den nächsten Wochen und Monaten wieder führen – ob jetzt mal in Eurer Verwaltungsstelle Augsburg oder bei mir in Schwäbisch Hall, ist völlig egal –, dann ist das erreicht, was wir wollten, nämlich nicht einfach zugucken, sondern sich einmischen in die Politik in diesem Land und zu sagen: Wir wollen ein Land sein, das für den Frieden steht, und wir wollen nicht ein Land sein, aus dem auf Dauer Waffen geliefert werden, die dann eben auch dazu führen, dass viele Menschen ihr Leben verlieren.

Deswegen noch einmal meine Bitte, die Empfehlung zu ändern. Wenn dem nicht gefolgt wird, müssten wir gegen die Empfehlung der Antragsberatungskommission, gegen den Ursprungsantrag sprechen.