IGM gegen zwei Prozent
Im Oktober tagte in Nürnberg der Gewerkschaftstag der IG Metall.
Artikel von Anne Rieger zu den Friedens- und Konversionsbeschlüssen des IG Metall Gewerkschaftstages, der Artikel erscheint in den Marxistischen Blättern 1/2020, zu den Beschlüsse der Link rechts
Im September 2014 haben die NATO-Staaten bei ihrem Gipfeltreffen in Wales erklärt, dass die nationalen “Verteidigungs“ausgaben der Mitgliedsländer bis 2024 zwei Prozent des BIP erreichen sollen. 2017 haben die EU-Abgeordneten die Mitgliedstaaten ebenfalls aufgerufen, zwei Prozent des BIP für Verteidigungszwecke auszugeben. Dem widersprachen die Delegierten des IG Metall Gewerkschaftstages mit überwältigender Mehrheit. Sie beschlossen „alle Abgeordneten des Bundestages aufzufordern, sich gegen das 2-Prozent-Ziel für die Rüstungsausgaben zu engagieren und fordern verstärkte Initiativen für Abrüstung und Rüstungskonversion und unterstützen deshalb die Petition ‚Abrüsten statt Aufrüsten’“. Eine klare Positionierung der Gewerkschafter*innen.
Das scheint die Bundesregierung nicht sonderlich zu beeindrucken, denn soeben meldete sie der NATO für das Jahr 2020 eine weitere Erhöhung des Militäretats in Höhe von 50,25 Mrd. Euro, eine Erhöhung auf 1,42 Prozent des BIP. Zwar war die Bundeskanzlerin mit Beifall bedachte Rednerin auf dem Gewerkschaftstag, aber weder wurde ihr die Forderung vorgetragen, noch ging sie mit einem einzigen Wort auf Frieden und Abrüstung ein. Die vom Vorstand formulierte Entschließung „Für eine verantwortungsbewusste Friedenspolitik“ erläutert das Dilemma der IG Metall: Sie ist eine Einheitsgewerkschaft, in ihr organisieren sich Menschen, „die sich in ihren politischen Positionen und Perspektiven unterscheiden“. Dabei eine sie trotzdem „die Überzeugung, dass Krieg und der Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen keine Mittel zur Konfliktbewältigung seien“.
So waren auf dem Gewerkschaftstag die Delegierten in erster Linie mit den unsozialen Folgen der inhumanen kapitalistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, den täglichen Abwehrkämpfen in den Betrieben und den Folgen der Transformation beschäftigt. Die kapitalistische Kriegs- und Eroberungspolitik von Rohstoffen, Märkten und Transportwegen stand nicht im Mittelpunkt. Trotzdem befanden sich unter der 793 Anträgen zum Gewerkschaftstag 23 zu Frieden und Abrüstung, darunter 14, die Rüstungskonversion und Diversifikation fordern.
Die Beschlüsse der Delegierten präzisierten die dehnbare Entschließung des Vorstandes. In ihnen spiegeln sich aber eben auch die unterschiedlichen Positionen der Mitglieder wider: Die IG Metall „lehnt bewaffnete Interventionen ohne UNO-Mandat ab“ und „grundsätzlich Waffenexporte in Krisen- und Konfliktgebiete sowie an diktatorische oder autokratische Regime”. Stattdessen werden zivile Strategien zur Friedenssicherung, die an den Ursachen von Kriegen und Konflikten ansetzen, sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte gefordert. Aufgezählt werden zivile Bereiche, in denen Rüstungsgeld dringend gebraucht würde, für Wohnungen, Rente, Schule etc. und „eine ökologische und soziale Gestaltung der Verkehrs- und Energiewende“. Eine spannende Entwicklung der Metaller, deren Arbeitsplätze häufig an Rüstung und Individualverkehr gebunden sind. Dazu passte auch einer der nur zwei Redebeiträge zu diesem Block, der feststellte, Fridays-for-Future und „Abrüsten statt Aufrüsten“ gehören zusammen.
Bedauerlich ist es daher, dass weiter gehenden Anträge aus Aachen, Dortmund, Erfurt, Peine-Salzgitter usw. von den Delegierten – entsprechend der Empfehlung der Antragsberatungskommission – durch den Kölner Antrag als erledigt betrachtet wurden, wie der zweite Redner dieses Block rügte. Denn dort wurde u.a. ein generelles Rüstungsexportverbot gefordert und dem Vorstand aufgetragen „seine Aufgaben zur Entwicklung von Projekten zur Rüstungskonversion mit Nachdruck voranzutreiben“ und das Projekt „Konversion in wehrtechnischen Betrieben“ des Vorstandes weiterzuführen mit dem Ziel, die Anzahl der beteiligten Betriebe zu erhöhen und „den bestehenden Handlungsleitfaden des Vorstands über die Diversifizierung, um den Bereich der Konversion zu ergänzen“. „Es gelte Alternativen aufzuzeigen wie die Produktion militärische Güter in die Herstellung von Konsumgütern gewandelt werden kann“. Darüber hinaus sollte die Öffentlichkeitsarbeit für Frieden und Abrüstung auch über die der Metallzeitung verstärkt werden. Die IGM solle sich gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Organisationen und der Friedensbewegung mit der Unterstützung des DGBs und anderer DGB Gewerkschaften an die Spitze der Forderung nach weltweiter Abrüstung stellen.
Als Material zum Vorstand wurde der Antrag aus Jena-Saalfeld beschlossen, „mit eigenen friedenspolitischen Initiativen zu antworten. Zu diesen Initiativen zählen u.a. eine Konferenz mit Rüstungskonversionsinitiativen, Rüstungsexportkritikern, lokalen Friedensinitiativen und Konfliktforschern. Ziel der Konferenz ist, die Konversionserfahrungen der 1980er Jahre zu heben, sie mit aktuellen Friedensthemen abzugleichen und den Geschäftsstellen zur Verfügung zu stellen“. Mit den Worten, der „Antrag der Geschäftsstelle Frankfurt am Main fordert den Vorstand auf, die Gefahren von Krieg und Aufrüstung in Vertrauensleuteschulungen zu thematisieren und unsere Mitglieder mit betrieblichen Aktivitäten und öffentlichen Veranstaltungen für friedenspolitische Demonstrationen zu mobilisieren. Damit konkretisiert der Frankfurter Antrag die Ausführungen in der Entschließung“ empfahl die Antragsberatungskommission seine Annahme als Material. Die Delegierten stimmten zu.
Ebenso beschlossen sie „Mittel- und langfristig werden die europäischen Länder gemeinsame Beschaffungen für ihre Streitkräfte vornehmen. Das wird zu einer Transformation und Konsolidierung der Rüstungsindustrie in Europa führen. Die IG Metall betont: Strukturwandel und politisch induzierte Veränderungen dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden“. Die IG Metall bekennt sich zu den Beschäftigten in der wehrtechnischen Industrie. Auch für sie geht es um den Erhalt hochwertiger Arbeitsplätze, guter Arbeitsbedingungen, fairer Einkommen und den respektvollen Umgang miteinander. Hier fordert die IG Metall die Bundesregierung auf, ein neues Programm oder einen erweiterten Fonds für
Konversion und Diversifikation in zivile Märkte aufzulegen und zudem entsprechende Programme bei der Europäischen Union zu initiieren.
Ergänzend kann man hier einfügen, was Wolfgang Lemb, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, vor wenigen Tagen auf dem Bundeskongress der DFG-VK erläuterte: „In Bezug auf betriebliche Rüstungskonversionsdebatten sind – wie schon in den 80er Jahren – auch heute noch viele Arbeitgeber die Blockierer. Kein Wunder: Sie machen mit der Rüstung ihren Profit! Die betrachten das Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Rüstungskonversion als Einmischung in die Freiheit der Unternehmerischen Entscheidung. Betriebliche Demokratie und Mitbestimmung sind deshalb erste Voraussetzung für den Erfolg von Konversionsprojekten“.
Darüber hinaus verlangten die Delegierten von der Bundesregierung „keine Ausrüstung der Bundeswehr mit Drohnen, die bewaffnet werden können“, sich für die weltweite Ächtung autonomer Waffensysteme einzusetzen. Sie lehnen die Stationierung landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen in Deutschland und der EU ab. Sie wollen Frieden in Europa, keinen Konfrontationskurs mit Russland, die Verhandlungen zum INF-Vertrag sollen wieder aufgenommen werden.
Anne Rieger