Der Arbeitskreis Zivilklausel Universität Köln hat den Friedenspreis der evangelischen Kirche erhalten.

Der Arbeitskreis Zivilklausel an der Universität Köln und die Evangelische Studierendengemeinde Leipzig haben am Samstag in Leipzig den Friedenspreis der evangelischen Kirche erhalten.

Die Dankesrede der Kölner:
Sehr geehrte Damen und Herren aus der Stadtgesellschaft und der Landeskirche,
lieber Prof. Dr. Thomas Kliche,
liebe Evangelische Arbeitsgemeinschaft Kriegsdienstverweigerung und Frieden,
liebe Mit-Preisträger von der ESG Leipzig,
sehr geehrte Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Danke!
Heute hier zu stehen und den Friedrich-Siegmund-Schultze-Förderpreis zu erhalten, das ist schon echt ein Ding! Diesen Preis möchten wir einem Menschen widmen, ohne den es uns und die Zivilklauselbewegung nicht geben würde. Das ist Dietrich Schulze, der leider in Dezember 2019 verstorben ist. Sein Leben, auch als Naturwissenschaftler, war geprägt von dem „Nie wieder“: Nie wieder sollte die Wissenschaft zu Militarismus und Krieg beitragen!
Sein unerschütterliches Engagement für die Einhaltung und Erhaltung der seit 1956 am Kernforschungszentrum in Karlsruhe bestehenden Zivilklausel und für Ihre Ausweitung auf die gesamte Universität hat viele Menschen in seinen Bann gerissen und über die Jahrzehnte in der Gesellschaft Spuren hinterlassen, weit über Karlsruhe hinaus. Auf ihn geht ganz wesentlich zurück, dass sich eine bundesweite Initiative gegen Rüstungsforschung und für friedensstiftende Wissenschaften konstituierte. 2008 hatte Dietrich Schulze mit anderen die Initiative gegen Militärforschung an der Uni Karlsruhe gegründet. 2010 haben wir daraufhin in Köln den Arbeitskreis Zivilklausel gebildet. 2011 folgte dann die bundesweite Initiative „Hochschulen für den Frieden – ja zur Zivilklausel!“.
Hatten im Jahr 2008 12 Hochschulen sich bundesweit einer friedlichen Wissenschaft verpflichtet, sind es mittlerweile über 60. Und auch in Nordrhein-Westfalen, wo CDU und FDP im letzten Jahr die Zivilklausel, die wir 2014 ins Hochschulgesetz hineingekämpft hatten – wieder rausstrichen – in NRW also, haben trotz dieser Streichung alle Hochschulen zu ihrer Zivilklausel bekannt.
Dass unsere gemeinsame Arbeit in Köln und bundesweit nun gewürdigt wird, bedeutet für uns eine erfreuliche Bekräftigung und ist uns zugleich ein großer Ansporn.
Gerade in diesen Zeiten der Pandemie, wo überall der Schutz des Lebens angeblich höchste Priorität habe und gleichzeitig das Geschäft mit dem Tod boomt, ist ein gesellschaftspolitischer Paradigmenwechsel unumgänglich: Es geht um die umfassende Förderung und Verwirklichung der Arbeit für das Leben, für Frieden und Gesundheit, für umfassendes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden weltweit, für die unbedingte Beseitigung von Kriegsursachen und die Schaffung von Friedensursachen.
Albert Einstein hat 1932 zum Ausdruck gebracht, worum es dabei geht und was uns auch die ganze Zeit antreibt:
„Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden. (…) Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse. Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.“
Die Wissenschaft hat dafür eine zentrale Bedeutung.
Aber diese Aufgabe stellt sich auch uns allen. Denn wenn die Bundesregierung Jahr für Jahr um Milliarden aufrüstet, und gerade kurz davor ist, Kampfdrohnen anzuschaffen, heißt Lebensbefürwortung und Menschenliebe: Konflikt!
Und davon lebt auch der Kampf um die Einführung von Zivilklauseln: Sie sind eine Ermutigung für Hochschulmitglieder, ihre Arbeit am Allgemeinwohl auszurichten und dafür politische Konfliktfähigkeit zu entwickeln.
In jeder Hochschule geht die Einführung des positiven Maßstabs strikt ziviler Wissenschaften zurück auf das Engagement meist nur weniger Menschen, die auf eins setzen: streitbare Humanität und überzeugen, überzeugen, überzeugen.
Dazu gehört: Tabus zu brechen.
Zum Beispiel: Dass der Sinn des Studiums sei, Abschluss zu machen und sich als „Humankapital“ für den Arbeitsmarkt und die Konkurrenz fit zu machen, also brav und bescheiden zu bleiben, weil man sonst ein Versager sei.
Auch bei den Wissenschaftlern ist der Konformitätsdruck groß: Wer im Wettbewerb um vermeintliche Exzellenz nicht mit dem Strom schwimmen will, bliebe zurück, sei nichts Wert, würde nicht ernst genommen.
Ja, ein realitätsferner Schwärmer sei, wem ein solidarisches, produktives Zusammenleben ein Anliegen ist. Und das sagen diejenigen, die mit ihrer Marktideologie eine Wirtschaftskrise noch nie da gewesener Dimension produziert haben und Krieg auch im Zeitalter von Atomwaffen und Trump für ein Mittel der Politik halten!
Eine überzeugende, richtige und aufrichtende Einsicht und Perspektive dagegen war und ist: Wissenschaft und Bildung können und müssen zur Entfaltung der menschliche Persönlichkeit, zur Bildung kritischer, mündiger Bürger, zu einer Lösung der globalen Probleme und zu einer menschlichen, friedlichen Welt beitragen. Wir haben dafür Bedeutung und können noch mehr gemeinsam erlangen. Und so haben wir gelernt: Wer kämpft, bekommt Gegenwind, findet aber auch überall neue Mitstreiter*innen.
So stehen wir auch hier als überzeugte Langzeitstudenten, realitätsferne Schwärmer und Spinner. Gerne. Etwas Besseres kann man gar nicht tun!
Und wir wissen: Je mehr es davon gibt, desto mehr gerät das Geschäft mit dem Krieg ins Strudeln.
Das hat hohe Aktualität und tut Not.
Ein Beispiel hier aus der Region:
Hier im Raum Halle/Leipzig hat im Juno dieses Jahres eine Cyberagentur ihre Arbeit aufgenommen. Sie untersteht dem Bundesinnenministerium und dem Verteidigungsministerium. Ihr Schwerpunkt: Digitale Innovationen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nach den Worten des Gründungsdirektors Igel soll sie „Forschung stimulieren und koordinieren“: „Es geht um Forschungsfragen, die zum Beispiel das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, die Marine, die Luftwaffe haben könnten.“ Als Handlungsfelder benennt der Aufbaustab „unter anderem die Quantentechnologie, Künstliche Intelligenz oder alternative Rechnerarchitekturen.“
In einem Interview auf der Seite des Verteidigungsministeriums mit Forschungsdirektor Prof. Dr. Christoph Igel heißt es: „Dabei wollen wir mit den besten Wissenschaftlern und Cyber-Experten in Deutschland arbeiten. Das heißt potenziell auch mit etwa 360 Hochschulen in Deutschland und mit 40.000 Professoren. Wie kann ich die für uns gewinnen? Auch im Hinblick auf Zivilklauseln und Dual-Use-Problematiken. Da werden wir erstmal richtig dicke Bretter bohren müssen.“
Lasst uns dafür sorgen, dass die Bretter noch dicker werden! Diese Bretter sind unsere streitbare Menschen- und Erkenntnisliebe.
Denn die Kriegspolitik und Kriegführung ist immer auf die Zuarbeit der Bevölkerung angewiesen. An jeder Stelle der Aufrüstungs- und Kriegskette kann diese gebrochen werden:
Es gibt die Wissenschaftler und Techniker, die die Waffen erdenken und die Kriege legitimieren sollen, die Facharbeiter, die die Waffen in den Fabriken produzieren, die Waffeneinkäufer (meist staatliche Stellen) und Kreditgeber, die Waffenlieferanten und –transporteure, die Buchhalter, bis hin zu den Soldaten, die am Ende dieser Kette als Kanonenfutter herhalten sollen.
Bei Google protestierten vorletztes Jahr mehrere tausend Mitarbeiter*innen dagegen, dem US-Militär zuzuarbeiten. Letztes Jahr stellten sich Hafenarbeiter*innen in Italien, Spanien und Frankreich gegen den Transport von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien. Gestern fand in Hamburg die Auftaktveranstaltung des Volksentscheids für die Einführung einer Zivilklausel für den Hafen statt.
Das Engagement für die Zivilisierung menschlicher Arbeit trifft ein gesellschaftliches Erfordernis, das sich immer mehr Menschen zu eigen machen. Und tatsächlich brauchen wir Zivilklauseln nicht nur für Hochschulen, sondern ebenso für Häfen, Banken und für Betriebe!
Das restaurative Gebot der Zeit nach 1989, man solle „der Politik“ und „dem Markt“ die gesellschaftliche Entwicklung überlassen und das Leben auf den eigenen privaten Nahraum reduzieren, verliert zunehmend an einschüchternder Kraft.
Hier zeigt sich ein gesellschaftlicher Umbruch, den jeder und jede befeuern kann.
Vielen herzlichen Dank für diesen Preis!
Wir bauen auch auf Sie und Euch.
(Auf dem Foto zu sehen: Einige Preisträger*Innen zusammen mit Vorstandsmitgliedern der Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) )

Bei Google protestierten vorletztes Jahr mehrere tausend Mitarbeiter*innen dagegen, dem US-Militär zuzuarbeiten. Letztes Jahr stellten sich Hafenarbeiter*innen in Italien, Spanien und Frankreich gegen den Transport von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien. Gestern fand in Hamburg die Auftaktveranstaltung des Volksentscheids für die Einführung einer Zivilklausel für den Hafen statt.

Das Engagement für die Zivilisierung menschlicher Arbeit trifft ein gesellschaftliches Erfordernis, das sich immer mehr Menschen zu eigen machen. Und tatsächlich brauchen wir Zivilklauseln nicht nur für Hochschulen, sondern ebenso für Häfen, Banken und für Betriebe!